Mit Spannung konnte in den letzten Wochen verfolgt werden, wie einzelne Parteien mit dem Ergebnis der Bundestagswahl umgehen.
Schon die objektiven Zahlen des Wahlergebnisses haben da offensichtlich großen Raum für verschiedenste Interpretationen gelassen. Letztlich geht es ja auch um viel. Wer kommt für die nächsten vier Jahre in unserem Land an die Macht? Wer hat das Sagen? Und in der Tat geht es bei jeder demokratischen Wahl um das Verteilen von Macht. Alle vier Jahre kann so die Macht neu verteilt werden.
In der Bibel wird eine Geschichte erzählt von zwei Jüngern Jesu. Auch sie wollten bei der Verteilung der Macht ganz vorne dabei sein. Die zwei sind mit der Bitte zu Jesus gekommen, in seinem Reich rechts und links neben ihm sitzen zu wollen. Diese Positionen sind schon extrem wichtig. Denn wer rechts oder links vom Herrscher sitzt, hat großen Einfluss und kann mitreden. Jesus, so wird weitererzählt, durchschaut natürlich diese Machtspielchen und er erzählt, wie er sich Macht vorstellt in seinem Reich: Macht ist Dienst. Macht ist die Sorge um den anderen. Den Machtmissbrauch, der von vielen Herrschern bekannt ist, soll es bei den Jüngern Jesu nicht geben.
Macht bei den Jüngern Jesu, Macht in der Kirche muss sich grundlegend unterscheiden von dem Machtbegriff in der Welt. Macht im Sinne Jesu zeigt sich in der Barmherzigkeit und im Dienen, in der Sorge um die Kleinen und Benachteiligten und im Kleinsein.
Um Macht in der Katholischen Kirche geht es, wenn in den Versammlungen des Synodalen Weges um Gemeinsamkeiten und den richtigen Weg gerungen wird. Wahrscheinlich kann dieser Weg nur zum Erfolg führen, wenn die Macht in der Kirche anders, neu, im Sinne Jesu interpretiert wird. Dann geht es um mehr als um ein pures Umverteilen der Macht, dann geht es um nicht weniger als um gelebte Barmherzigkeit.
Norbert Nacke
Dechant, Pfarrer und Leiter des Pastoralverbundes Bielefeld-Mitte-Nord-West
Wort zum Sonntag, Westfalen Blatt, 24. Oktober 2021
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