Gelegentlich mache ich gern aus einer Redemücke einen Sprachelefanten und schaue genauer hin. Heute geht’s mir ums „Ja“.
Vor wenigen Wochen wurde anlässlich des 100. Geburtstages des verstorbenen Künstlers Joseph Beuys an eine skurrile Tonaufnahme erinnert, bei der er die „Gespräche“ bei den niederrheinischen Beerdigungskaffeerunden seiner Kinderzeit imitierte: Viele Male reihte er „Jaja, jajaja, jaja …“ und „Nee, nee, nee, nee, nee …“ aneinander. Eine andere Variante bekam ich kürzlich wieder ins Ohr: „Jahaa!“: 98 mal (!) kommt es vor in einem modernen Lied für Kinder von der Gruppe Bummelkasten. Gelangweilt singen es Kinder nach jedem Aufruf durch eine Erwachsenenstimme: „Liebe Kinder (jahaa!), kommt ihr bitte! (Jahaa!), Dominique (jahaa), wir gehen zum Picknick. Anja (jahaa), ich hab dich jetzt schon dreimal höflich gebeten … Torben (jahaa), kommst du bitte! (Jahaa!) Liebe Kinder (jahaa), kommt ihr bitte!“ Wem fielen da nicht unzählige solcher Situationen ein!? Das gezogene „Jahaa“ bedeutet: Eigentlich passt mir das jetzt nicht! - In der Bergpredigt (Mt-ev. Kap 5-7) findet sich ein Kommentar Jesu zum Ja- und Nein-Sagen. Die Basis-Bibel (2021) übersetzt in zeitnaher Sprache: „Sagt einfach ‚Ja‘, wenn ihr ‚Ja‘ meint, und ‚Nein‘, wenn ihr ‚Nein‘ meint. Jedes weitere Wort kommt vom Bösen.“ (Mt 5,37) Das hätte viel für sich, aber: Es gibt auch ‚Kommt-drauf-an-Situationen‘. „Kann ich dir helfen?“ Ein zackiges ‚Nein!“ wäre zu barsch, auch wenn klar ist, dass man eine Radmutter nicht zu zweit festziehen kann, und dass sich das Einfädeln eines Fadens in die Nadel kurz vor dem Erfolg keiner gerne aus der Hand nehmen lässt. Mir scheint, Ja- oder Nein-Sagen ist nicht nur eine Frage der aktuellen Zustimmung oder Ablehnung, nicht nur eine Frage der sprachlich eindeutigen Formulierung. Die Erfahrung lehrt, dass es mit dem Vertrauensverhältnis der Kommunizierenden zu tun hat, ob man ein klares „Ja“ oder „Nein“ über die Lippen bringt. „Du siehst traurig aus. Möchtest du darüber sprechen?“ Ein schlichtes „Nein“ ist zwischen zweien, die umeinander wissen, nicht zu heftig. Unsere zahlreichen Abstufungen zwischen einem unentschlossen gedehnten „Joaoah“, einem versonnenen „Jaja“, einem aus der Ferne uninteressiert gerufenen „Jahaa!“ und einem freudigen oder zumindest ehrlich-klaren „Ja!“ sind ja Signale, die Stimmung und Zustimmung interpretieren helfen. - Liebe Leserin, lieber Leser, lassen wir den Sprachelefanten wieder auf Redemückegröße schrumpfen; nach allem Erwägen und Differenzieren hat Jesu Klarheit doch viel für sich: Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein. Es zu versuchen, ist dieser Hinweis allemal wert. Einen erholsamen Sonntag!
Pfr. Bernhard Barckhane
Wort zum Sonntag, Westfalen Blatt, 10. Juli 2021
Bild: geralt / cc0 - gemeinfrei / Quelle: pixabay.com
In: Pfarrbriefservice.de
Bernhard Brackhane
Pfarrer und Leiter des Pastoralverbundes Bielefeld-Ost