Ist es nur ein Gefühl oder ist es real? Die Welt verändert sich immer schneller und wird immer verrückter.
Krise reiht sich an Krise, Katastrophe an Katastrophe, totalitäre Politik sieht sich im Aufschwung.
Verstärkt seit 2015 beschäftigen uns: Flüchtlingskrise, Klimakrise, Coronakrise, Umweltkatastrophen, Überschwemmungskatastrophe, Krieg in ferneren Ländern, Krieg in der Ukraine, nunmehr neue Flüchtlingserwartung.
Dazu verschieben sich scheinbare politische Selbstverständlichkeiten immer mehr. Anfang der neunziger Jahre haben wir doch gewusst, dass die Demokratie auf dem Weg ist, totalitäre Staaten zu erneuern. Wir haben gemeint, dass Menschenrechte wirklich universell für alle Menschen gelten könnten. Leider haben sich diese Erwartungen bis heute nicht erfüllt. Im Gegenteil, totalitäre politische Systeme sehen sich durch die Entwicklungen der letzten Jahre eher bestärkt. Ohne demokratische Legitimation handeln sie unbeeinflusst von Auswirkungen auf die eigene Bevölkerung oder gar andersdenkende Menschen.
Dabei sind die beschriebenen Entwicklungen „menschengemacht“.
Nun können Sie sich fragen, was derartige Überlegungen in einem Wort zum Sonntag aus der katholischen Sicht eines Caritasvorstandes zu suchen haben.
Ich glaube, sie sind genau jetzt wichtig. Wenn wir uns an die Entstehung des christlichen Glaubens erinnern, fallen uns sicher Tod und Auferstehung Jesu Christi ein. Aber vielleicht auch die Neuorientierung des damaligen Weltbildes auf die Gleichwertigkeit jedes Einzelnen.
Jesus hat die Menschen besonders in den Blick genommen, die scheinbar nicht so wichtig waren. Die Kranken, Blinden, Unwichtigen. Er predigte die Kraft der Liebe statt der Macht und stellte die an den Pranger, die ihre Macht missbrauchten.
Dieses neue Menschenbild hat die Menschen und die Welt verändert und die Verbreitung des Christentums überhaupt erst ermöglicht. Verständnis für andere, gleiche Rechte für Jedermann, Barmherzigkeit, Eingestehen der eigenen Fehler und Defizite – das sind die Grundzüge von Jesu Botschaft.
Leider finden wir dieses Menschenbild heute häufig in Strukturen nicht wieder – weder in der Welt noch in der Kirche. Besinnung auf die Basis des Glaubens ist daher wichtig. Die Welt und die Institution Kirche haben da erheblichen Nachholbedarf.
Aber jeder Einzelne kann heute eine Entscheidung treffen: Liebe und Verständnis oder Macht und Egoismus. Entscheide DU!
Ulrich Paus
Vorstand des Caritasverbandes Bielefeld e.V.
Wort zum Sonntag, Neue Westfälische 10. März 2022, Westfalen Blatt 12. März 2022
Bild: Peter Weidemann
In: Pfarrbriefservice.de
Ulrich Paus
Vorstand Caritasverband Bielefeld e.V.