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Wort zum Sonntag

In regelmäßigen Abständen schreiben ehrenamtlich und hauptberuflich Mitarbeitende aus dem Dekanat für die Presse in Bielefeld und Lippe ein "Wort zum Sonntag". Den aktuellen und zuletzt erschienenen Beitrag finden Sie hier.

... in Bielefeld

„Gib-dem-Bösen-keine-Chance-Tag“

Sie schalten das Radio ein und hören „Heute ist der Tag der weggeworfenen Bananenschale“ (gerade frei erfunden – aber vielleicht gibt es ihn unter den Kuriositäten ja wirklich, diesen Tag.)
Sie denken: Was soll der Quatsch, jedem Ding eine herausragende Bedeutung beizumessen, indem man ihm einen Tag widmet? Und selbst sinnvollen Anliegen kann man auch ohne eigenen Gedenktag einen angemessenen Stellenwert geben.

Besonders in den USA scheint es allerdings kaum ein Stichwort zu geben, dem nicht ein eigener Tag zugeordnet wäre. Diese „Gedenktage“ anzuschauen ist nicht nur unterhaltsam, sondern auch bemerkenswert: Der 10.7. gilt als „Tritt-nicht-auf-eine-Biene-Tag“ und zu dem „Tag des Teilens“ kennt man im Juli auch den „Muntere-die-Einsamen-auf-Tag“, den „Tag der großartigen Großmütter“ sowie den „Unterhalte-Dich-im-Fahrstuhl-Tag“.
Jeder dieser Tage rückt Gewöhnliches, sonst Unauffälliges in den Fokus – zufällige Situationen und Begegnungen, auf die wir mit besonderer Aufmerksamkeit, Wertschätzung, Rücksichtnahme gebeten sind zu reagieren.

Wenn hinter all dem aufleuchtet, „jeden Tag eine gute Tat“ zu tun, könnten diese „Motto-Tage“ dazu dienen, mit Achtsamkeit die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen.

Angeregt durch einen Abschnitt des Markus-Evangeliums, der am Sonntag im katholischen Gottesdienst vorgelesen wird, ließen sich die Juli-Tage sogar sinnvoll ergänzen durch einen „Gib-dem-Bösen-keine-Chance-Tag“.

Jesus sendet die Zwölf aus, die Frohe Botschaft zu verkünden, Kranke zu heilen und auch Dämonen auszutreiben. Leider deckt es sich auch mit heutiger Erfahrung, dass an vielen Stellen die Ungeister von Rücksichtslosigkeit, Unachtsamkeit und mangelnder Wertschätzung zunehmend an Einfluss gewinnen. Denen keinen Raum zu geben, könnte heute und auch morgen die gute Tat sein.

Ermutigen lassen dürfen wir uns durch Jesus, der nicht nur an seine Jünger appelliert „Vertreibt Dämonen, gebt ihnen keine Chance!“, sondern die Apostel auch mit dem Notwendigen dazu ausstattet. Er gibt ihnen die „Vollmacht über die unreinen Geister“, befähigt sie also dazu, das Böse zu vertreiben, damit das Gute mehr Platz hat.

Wenn das für uns gleichermaßen gilt wie damals für die 12 Jünger, sind wir sogar mit der notwendigen Kompetenz ausgestattet, den heutigen Tag als „Gib-dem-Bösen-keine-Chance-Tag“ zu begehen – vielleicht auch noch den Tag morgen und auch übermorgen!

Autorin: Eva-Maria Nolte

... in Lippe

Kein menschliches Leben ohne Verletzlichkeit

Das könnte man schnell als nachteilig oder bedrohlich ansehen. Doch für den Medizinethiker Giovanni Maio ist es etwas sehr Positives. In der Verletzlichkeit steckt etwas, was uns Menschen verbindet: eine Quelle für Offenheit und Mitgefühl.

Wenn Menschen in ihrer Verletzlichkeit von anderen wahrgenommen werden, indem sie ein gutes Wort und aufmerksame Hilfe von ihnen erfahren, entsteht ein tiefes Gefühl von Annahme und Dankbarkeit – auf beiden Seiten.

Diese kostbare Erfahrung, die Maio beschreibt, ist nicht neu. Sie ist jahrhundertealte menschlich-christliche Praxis der Barmherzigkeit, die in den Hospitälern und Hospizen bis heute geübt wird.

Aus meiner Sicht als Klinikseelsorger liegt hier ein entscheidender Punkt, der von bleibender Bedeutung ist: Es gibt keine nur körperlich kranken Menschen. Das spüren ganz deutlich die, die schwerer und länger erkrankt sind. Krankheit erschüttert und verletzt unsere Seele. Deshalb braucht es in einer humanen Medizin weiterhin die Sorge um die Seele eines Menschen – nicht nur von Seiten kirchlicher Seelsorge.
So gesehen, passiert gerade durch die geplante Klinikreform Entscheidendes. Denn die Abschaffung der Fallpauschalen ist überfällig. Hierin steckt eine geldgetriebene Reparaturlogik. Ihr budgetierender Blick fällt auf Organe und deren Krankheitsbilder. Für die verletzte Seite eines Menschen ist sie weithin blind.
Behalten wir es alle im Blick: Es gibt kein menschliches Leben ohne Verletzlichkeit!

Autor: Johannes Brüseke