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Wort zum Sonntag

In regelmäßigen Abständen schreiben ehrenamtlich und hauptberuflich Mitarbeitende aus dem Dekanat für die Presse in Bielefeld und Lippe ein "Wort zum Sonntag". Den aktuellen und zuletzt erschienenen Beitrag finden Sie hier.

... in Bielefeld

Bleiben

Neulich bei mir zu viert am Tisch nicht weit vor Ende der Spargelsaison; der Tisch: gut 100 Jahre alt, wiederaufgefrischt, in jede Richtung zweimal ausziehbar. Diesmal eine Plattenbreite ausgezogen, damit neben dem Spargel auch Schinkenbrett und Rührei platzfanden. Trotzdem wurde es zwischen Tellern und Gläsern für das Soßentöpfchen schon eng.

Seltsam: Wie haben die das vor gut 100 Jahren gemacht, dass hier Essen für 10 und 14 Personen stehen konnte? Kleinere Teller? Vielleicht – und sicher weniger Schüsseln.

– Themenwechsel: Gut 290.000 Menschen haben im letzten Jahr die deutsche Staatsbürgerschaft erworben; davon 25% Syrer aus sehr nachvollziehbarem Anlass (FAZ. v. 12.06.).

Manche sprechen von „Passdeutschen“ und würden sie nie als „Landsleute“ betrachten wie sich selbst.
Ist denn Deutschland trotz niedriger Geburtenrate geschrumpft, dass kein Platz mehr wäre für solche, deren ältere Familienangehörigen oder sie selbst anderswo geboren wurden?
Wir brauchen doch überall Auszubildende, Arbeits- und vor allem Pflegekräfte!

Oder ist es wie an meinem alten Tisch, dass unsere Bedürfnisse und Ansprüche mehr Platz be-anspruchen?

– Liebe Leserin, lieber Leser, völlig klar: Die großen Zahlen von Menschen, die hier jährlich eine neue Bleibe und Perspektive für ihr Leben suchen, und die Hintergründe und Folgen sind komplex.
Es gibt Probleme mit einzelnen und mit „communities“ (gesellschaftl. Gruppen), die der Gesamtheit das (Zusammen-)Leben schwer machen, weil sie kaum daran interessiert sind, wen und was sie vorfinden.

Meine Gedanken zu Fronleichnam, an denen ich Sie beteiligen möchte, kreisen diesmal um das Bleiben.
Katholiken glauben, dass Jesus (letztlich unerklärbar) im Brot, um das es in der Hl. Messe geht, „bleibt“. Und das zeigen und bezeugen sie an Fronleichnam. Für uns ist dies eine besondere Verwirklichung bestimmter Worte Jesu: „Das ist mein Leib.“ (Mk 14,22) – „Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,20) – „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch (Joh 15,4). Mir kommen verschiedene Bleibe-Gedanken, z. B.: Vieles soll bleiben wie es ist.
Und ja: manches kann nicht bleiben, wie es ist, und ja: mancher kann nicht bleiben, wo er ist. Aber wo und bei wem bleibt, wer keine Bleibe findet? Wenn bei mir kaum etwas bleibt, wie es war: Wer bleibt für mich da? Ein umwerfender Satz am Ende des Neuen Testamentes lautet: „Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm (1Joh 4,16). Bleiben Sie zugewandt!

Autor: Pfarrer Bernhard Brackhane

... in Lippe

Sonnenwende

Ich mag Sonnenuhren. Schon als Kind – und als Erwachsene erst recht.
Zwar brauchen wir in unserer global vernetzten Welt eine standardisierte, genaue Uhrenzeit. Aber schon unser Körper „tickt“ anders, Stichwort: Jetlag! Aber ganz unabhängig davon birgt die „Wahre Ortszeit“ der Sonnenuhren eine ganz eigene, auch spirituelle Faszination.

Denn: jeder Ort hat seine eigene! Nehmen Sie sich heute einen Moment Zeit, wenn Sie mögen: um 13.26 Uhr erreicht die Sonne ihren höchsten Stand – genau hier. Nur hier. Genau auf Süd: Wahrer Mittag. Für Heute. Und nur heute.

Denn es ist Sommersonnenwende: der längste Tag des Jahres. Ab jetzt wird es anders: der Höhepunkt ist überschritten; die Tage werden kürzer.

Für die Sonnenuhren hat jeder Ort „seine“ Zeit.
Auch jeder Mensch hat „seine“ Zeit. Und in unserem oft durchgetakteten Alltag tut es gut, solche „Zeitmarken“ bewusst wahrzunehmen – die großen kosmischen Zäsuren der Sonnenwenden genauso wie die kleineren Rhythmen: Den Sonntag als Ruhetag. Jeden neuen Morgen.
Als „Unterbrechung“ und Zeit zur Besinnung: wo stehe ich? Was prägt gerade meine Zeit? Denn oft sind gerade die kleinen Momente besonders kostbar, und nur im Augenblick leben wir ganz. Jetzt. Jetzt. Und Jetzt.

Das ist die wichtigste, die „wahre“ Zeit: Das Jetzt. Immer nur eins. Und noch eins. Für alles, wofür ich Zeit haben möchte. Zum Freuen, Lieben, Genießen. Zeit zum Leben, mir ganz umsonst geschenkt. Und geborgen – in Gottes Zeit. Für immer. Bis ins Jenseits aller Zeit.

Autorin: Hildegard Schneider